Langzeitlager
in einem Tunnelsystem (Stand
26.06.2011)
Siegfried
Niese, Wilsdruff
Einleitung
Hier sollen
die Vorzüge eines in einem Tunnel angeordneten kontrollierbaren Langzeitlager
beschrieben werden, aus dem radioaktive Rückstände mit vertretbarem Aufwand
zurückgeholt werden können. Es wird als Alternative oder Ergänzung zu einem
mit einem Schacht zugänglichen tiefen unterirdischem Lager, wie im Salzstock
Gorleben diskutiert, aus dem die radioaktiven Rückstände, wenn notwendig, nur
mit bergmännischen Arbeitstechniken zurückgeholt werden können.
Unabhängig
davon, welche Staaten in den nächsten Jahren die Stromerzeugung mittels
Kernenergie einstellen oder erweitern, lagern bei den Kernwaffenmächten große
Mengen hochangereichertes Uran und Plutonium, dass nach der Erneuerung und der
bei Abrüstungsmaßnahmen erfolgten Reduzierung der Waffen am besten dadurch
beseitigt wird, indem man das Kernmaterial mit Natururan verdünnt und in
Reaktorbrennelementen zur Stromerzeugung einsetzt.
Bei der Stromerzeugung durch Kernenergie fallen schwach und mittelaktive
Betriebsabfälle und bei Rekonstruktionen und Rückbau aktivierten Komponenten
an. Die abgebrannten Brennelemente (BE) und die bei deren Wiederaufarbeitung
(WA) anfallenden Rückstände bilden das Inventar an hochradioaktiven und wärmeerzeugenden
Abfällen.
Daneben gibt es noch schwach radioaktive Rückstände an UF6 mit
verringertem Gehalt an 235U aus der Urananreicherung und schwach
radioaktives Uran mit verringerten Anreicherungsgrad aus der WA von abgebrannten
BE.
Gegenstand
dieser Betrachtung sind nur die hochradioaktiven abgebrannten BE und die
verglasten Rückstände aus der WA. Ich habe die in einer vorangegangenen
Fassung benutzte Bezeichnung Langzeitzwischenlager durch Langzeitlager ersetzt,
weil der Begriff Zwischenlager mit oberirdischen Lagern für eine Betriebszeit
von einigen Jahrzehnten assoziiert ist.
Stand der
Diskussion
Von
den zuständigen Behörden wurde vor einigen Jahren eine für mich nie
nachvollziehbare Festlegung auf die Lagerung aller radioaktiven Abfälle in
einem einheitlichen Endlager getroffen, aus denen die Abfälle unter keinen Umständen
zurückzuholen waren. Allgemein ging man davon aus, dass aus einem Endlager
innerhalb von 1 Million Jahren auf keinem Wege Radioaktivität an die Erdoberfläche
gelangen darf. Nachdem jetzt für die hoch- und schwach- und mittelradioaktive
Abfälle getrennte Endlager wieder akzeptiert wurden, die bergmännische Rückholbarkeit
jetzt sogar gefordert wird, und wieder Alternativen zum Standort Gorleben
diskutiert werden, ist die Diskussion wieder offener geworden.1, 2,
Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz Wolfram König. Wolfram König
sagte in einem Interview mit der Journalistin Dagmar Dehmer am 29.12.2010,
"Ich bin gegen Langzeitzwischenlager....Was
wir aber ermöglichen sollten ist, dass die Abfälle aus einem verschlossenen
Endlager wieder bergmännisch herausgeholt werden können. Wenn es einen
Erkenntnisgewinn in der Zukunft geben sollte, dass der von uns eingeschlagene
Weg nicht mehr verantwortbar erscheint, Atommüll in tiefen geologischen
Schichten abgeschlossen zu lagern, dann sollte man den Atommüll bergen können.“
3
Ich
schickte meine Vorstellungen Ende 2010 auch an den Vorsitzenden des
Fachverbandes Nuklearchemie der GDCh, Horst Geckeis, nachdem er in den
Nachrichten der Chemie im Oktoberheft ein chemisches Verfahren zur Abtrennung
langlebiger Aktiniden aus HAW zum Zwecke der Transmutation vorstellte, wonach
die dann verbleibenden Rückstände um mehrere Größenordnungen schneller
abklingen als ohne deren Abtrennung 5, sowie an das KKW
Neckarwestheim, die ein standortnahes Zwischenlager bereits unterirdisch
angeordnet haben.
So gibt es seit dem Frühjahr 2011 zur prinzipiellen Rückholbar weitgehende Übereinstimmung
Am 10.5 2011 entwickelte in einem SPIEGEL - Online – Interview
Professor Frank Schilling aus Karlsruhe die Idee über ein bis zu 500 Jahre
kontrollierbares „Kurzzeitendlager“ 6. In Verlautbarungen der
Ethikkommission wurde die Notwendigkeit der Rückholbarkeit aus einem Lager
wieder explizit betont, und über ein von der Bundestagsfraktion der Grünen
organisiertes Fachgespräch am 09.05.2011, im Deutscher Bundestag, mit dem Thema
"Soll Atommüll rückholbar endgelagert werden?“ 7 wo auch der
Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz Wolfram König sprach, wurde
berichtet.
Am
15.6.2011 präzisierte König seine Gedanken im Interview mit Nana Brink vom
Deutschlandradio Kultur: „Ja,
ich glaube, das ist eine richtige Konsequenz aus den Erfahrungen zum Beispiel
der Asse: Die Abfälle sollen und müssen so gelagert werden, dass man, auch
wenn man ein Endlager wieder verschlossen hat, wieder an diese Abfälle
herankommen kann, zukünftigen Generationen die Möglichkeit eröffnet, im Fall
eines Störfalls oder dass man meint, man hat bessere Methoden, diese Abfälle
zu behandeln, dass man zumindest die wieder einigermaßen sicher bergen kann.
Das ist eine Aufforderung, die wir schon heute haben durch die neuen
Sicherheitskriterien des Bundesumweltministers, im letzten Jahr erlassen, das
heißt, die Abfälle müssen im Behälter gelagert werden in geologisch
geeigneten Schichten, die auch wieder dann die Sicherheit garantieren, wenn zukünftige
Generationen herangehen wollen. Das kann nach einem Verschluss eines solchen
Endlagers eben zum Beispiel bergmännisch sein und setzt voraus, dass man das
Wissen um die Abfälle, um die Gefährlichkeit und insbesondere die Lage der Behälter
so dokumentiert, dass sie über mehrere hundert Jahre auch wieder abgreifbar
sind.“ 8
Auch
wenn er den Begriff Langzeitzwischenlager auf eine oberirdisches Lager bezieht
und die bergmännische Rückholbarkeit nach Verschluss hier nur als Option
gelten lässt, wenn man eine „bessere Methode, diese Abfälle zu behandeln“
hat, dann ist sogar unter den besseren Methoden eine spätere Wiederaufarbeitung
nicht ausgeschlossen.
Prinzipiell
ist eine Rückholung aus vielen projektierten Endlagern möglich 9. Nach
H. Geckeis wird die Diskussion der Rückholbarkeit hochradioaktiver Abfälle aus
einem Endlager derzeit noch sehr kontrovers geführt. „Das 'Offenlassen' eines
Endlagers zwecks späterer Rückhaltung widerspricht ganz klar Sicherheitsüberlegungen,
weil offene Hohlräume erhöhen das Risiko eines unkontrollierten Wasserzutritts
zum Abfall - siehe Fall Asse.“ 10
-
sich herausstellt, dass das eingerichtete Lager nicht sicher genug ist,
-
man eine für einen längeren Zeitraum im nationalen oder internationalen Maßstab
günstigere Zwischen – oder Endlagerung gefunden hat,
-
sich die Wiederverwendung von Wertstoffen lohnt, z.b. für die
Wiederaufarbeitung (WA) von bestrahlten Kernbrennelementen zur Gewinnung von
Spaltstoffen,
die
Abtrennung weiterer extrem langlebiger radiotoxischer Alphastrahler durch zusätzliche
Extraktionsstufen sinnvoll ist.5
Im
tunnelartigen unterirdischem Langzeitlager werden radioaktive Abfälle
eingelagert und können mit vertretbaren Aufwand wieder zurückgeholt werden. Es
muss von vornherein nicht als Endlager vorgesehen werden, wogegen bei einem
Endlager im Schacht mit der Möglichkeit der Rückholung, wie sie König in
seinen letzen Interviews propagiert, eine endgültige Lagerung die Vorzugsoption
sein könnte. Man kann aber auch in einem Tunnel durchaus Abzweige bzw. Nischen
anordnen und verschließen und von einer Rückholung von dort absehen.
Die
jetzt vom BfS anerkannte Notwendigkeit der Rückholbarkeit bis zu einem Zeitraum
von 500 Jahren ermöglicht auch eine spätere Wiederaufarbeitung (WA) der
bestrahlten Brennelemente, die noch über 95% der ursprünglich im Uran
enthaltenden Kernspaltungsenergie enthalten. Gerade wegen der in den Druck- und
Siedewasserreaktoren geringen Ausnutzung der Kernspaltungsenergie und der als zu
gering eingeschätzten Uranvorräte hat man vor 50 Jahren geglaubt, dass man zur
Energieerzeugung vorwiegend schnelle Brutreaktoren einsetzen muss, für die eine
WA unumgänglich ist. Das wurde bis jetzt nicht umfassend realisiert, weil der
Weg über die Anreicherungen gegenwärtig preiswerter und sicherer ist.
Im
Stahl von Druckbehältern rückgebauter Kraftwerksreaktoren ist für die ersten
Jahrzehnte 60Co mit einer hochenergetischen Gammastrahlung das
radiologisch bestimmende Radionuklid. Nach dessen Abklingen ist der Betastrahler
63Ni mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren die Hauptaktivität.
Trotzdem ist eine Verwendung des Stahls als Behälter und Schutzmauern für
radioaktive Abfälle möglich. Zircaloy- und andere Zirkonmaterialien werden als
Brennelementhüllrohre und andere Einbauten im Reaktorcore stark aktiviert. Ob für
diese über eine Wiederverwendung oder nachgedacht wird, ist mir nicht bekannt.
Die vorhandenen oberirdischen Zwischenlager sind dafür sicher geeignet.
Seitdem das
Endlager ohne Rückholmöglichkeit nicht mehr als politisches Druckmittel für
den inzwischen von allen Bundestagsparteien akzeptieren deutschen Atomausstieg
benutzt wird, ist eine offene fachliche Variantendiskussion über die Verwahrung
radioaktiver Abfälle wieder möglich. In diesem Rahmen sollte über ein
Langzeitlager in einem Tunnelsystem, sofern noch nicht geschehen unbedingt auch
in Deutschland nachgedacht werden. Es liegen viele Erfahrungen sowohl in den
Tunnelbauten für den Verkehr als auch bei dem bisherigen Endlager für schwach
und mittelaktive Abfälle ERAM. Für sehr schwache radioaktive Rückstände aus
dem Uranbergbau gibt es besonders in Sachsen und Thüringen reichliche
Erfahrungen, und beim Braunkohlenbergbau über den Transport und die
Bereitstellung von Materialmassen für Überschichtungen und Verfüllungen.
2.
Bundesamt für Strahlenschutz vom 30.05.2011: „Stellungnahme
zur Endlagerung im Abschlussbericht der Ethikkommission“ Information vom
30.05.2011
3.
W. König. “Ich bin gegen Langzeitzwischenlager“, Interview mit D. Dehmer,
Tagesspiegel, 29.12.2010
4.
Michel, R., persönl. Mitt. 18.12.2010
5.
K. Gompper, A. Geist, H. Geckeis: Aktinoidenabtrennung aus hochaktiven Abfällen,
Nachrichten aus der Chemie 58 (2010) 1015-1019
6.
F. Schilling, Kurzzeitendlager, Spiegel – Online, 10.5 2011
7.
Bundestagsfraktion der Grünen: Fachgespräch "Soll Atommüll rückholbar
endgelagert werden?“ 9.5.2011
8.
15.6.2011 präzisierte König seine Gedanken im Interview mit Nana Brink vom
Deutschlandradio Kultur
9.
F.-P. Weiss: Pers. Mitt.: 4.10.2010
10.
H. Geckeis: Pers. Mitt. 16.11. 2010
11.
http://www.kernenergie.ch/de/felslabor-montterri.html (26.06.2011)
12.
Staff wríter: Hungary
inaugurates first stage of nuclear waste disposal facility, AFP
Budapest, 6.10.2006
13.
http://en.wikipedia.org/wiki/Yucca_Mountain_nuclear_waste_repository, gelesen
26.06.2011
14.
S. Niese, M. Beer, D. Naumann, K. Köpsel: Extraktive Aufarbeitung bestrahlter
Kernbrennstoffe, Akademie-Verlag , Berlin, 1960
15.
Chemie der Nuklearen Entsorgung ,Teil I , F. Baumgärtner (Hrsg.), München 1978.
Hier S. 215
16.
M Jungblut: Selbstverstümmlung
einer Industrienation?, ZEIT
- Gespräch mit Professor Kurt Beckurts über den Gorleben-Beschluss, Zeit-Online,
25.5.1979
17.
http://www.bgr.bund.de/cln_145/nn_329630/DE/Themen/Geotechnik/Downloads/BGR__wirtsgest__dtl,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/BGR_wirtsgest_dtl.pdf
Einfahrt in den Stollen des geplanten Endlagers Yucca Mountains |
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